Yoga – tiefer als nur ein ruhiger Geist und ein flexibler Körper

Liebe*r Leser*in,

Mit diesem kleinen Artikel möchte ich dir eine Perspektive auf Yoga geben, von der du vielleicht noch nicht so viel gehört hast. Yoga ist in den letzten ein bis zwei Jahrzehnten ziemlich mainstream geworden, und wir sehen Menschen aller Altersgruppen und Lebenswege in Yogakurse gehen. Die Absichten von Anfängern sind meist ähnlich: Sich im Alltag entspannter und ausgeglichener fühlen wollen, fitter werden oder Schmerzen und Spannungen im Körper lösen.

Die körperliche Praxis des Yoga kann uns dabei definitiv unterstützen. Was dabei jedoch oft übersehen wird, ist:

Yoga kann als mehrschichtiger Spiegel für unsere innere Welt dienen. Wenn wir die körperlichen Yogaübungen achtsam praktizieren – also bewusste Atmung mit achtsamer Bewegung verbinden – kann uns das direkt mit unserer emotionalen, mentalen und körperlichen Welt konfrontieren.

Und das ist leider manchmal nicht besonders angenehm.

Unsere Gesellschaft und unser Lebensstil ignorieren oft die menschlichen Bedürfnisse, die echte Gesundheit fördern.

Was sind diese Bedürfnisse? Es gibt sicherlich viele, aber für diesen Artikel nenne ich folgende:

  • Gesunde Bewegung
  • Authentische Beziehungen
  • Atmung und Emotionen
  • „Echtes“ Essen
  • Ruhe

Schauen wir uns diese Bedürfnisse an und wie sie in unsere Yogaerfahrung einfließen.

Gesunde Bewegung

Leider arbeiten die meisten von uns in Berufen, die uns zwingen, die Bedürfnisse des Körpers nach ausreichender, spielerischer und gesunder Bewegung zu ignorieren. Viele Jobs bestehen aus langem Sitzen, Stehen oder schwerer körperlicher Arbeit. Spielerische Bewegung, wie sie uns Kinder auf wunderbare Weise vorleben, gehört für Erwachsene nicht zum Alltag. Wir kämpfen uns durch lange Arbeitstage und versuchen das vielleicht mit Joggen, Schwimmen oder dem Fitnessstudio auszugleichen. Diese Aktivitäten sind sicherlich nützlich, aber ihnen fehlt oft eine kraftvolle Komponente: Die bewusste Atmung und die Beobachtung ihrer Wirkung auf unseren psychosomatischen Zustand.

Yoga hat die Fähigkeit, uns tiefer in unseren Körper zu führen. Ich persönlich finde eine körperlich fordernde Yogapraxis, kombiniert mit Dehnung und ausreichend Ruhe am Ende, sehr hilfreich. Natürlich kann man das nicht verallgemeinern, denn jeder Mensch trägt seine eigene Geschichte und individuelle Bedürfnisse in sich.

Atmung und Emotionen

Die Atmung ist eine der Funktionen unseres Körpers, die sowohl unbewusst als auch bewusst gesteuert werden kann. Wenn wir anfangen, bewusst zu atmen, können Dinge aus unserem unbewussten Körper-Geist-System auftauchen. Was sind das für „Dinge“?

Das können Erinnerungen, Gefühle oder Gedanken sein, die wir im Alltag verdrängen, um uns den Umständen anzupassen. Und das führt uns zum nächsten Punkt…

Authentische Beziehungen

Was bedeutet Authentizität überhaupt? Laut Internet bedeutet es, den eigenen Werten und Überzeugungen treu zu bleiben und auch in schwierigen Situationen dazu zu stehen. Okay.

Ich möchte noch etwas hinzufügen.

Ich glaube, Authentizität bedeutet, dem innersten Selbst treu zu sein.

Und genau da wird es kompliziert.

Unser innerstes Selbst ist oft sogar vor uns selbst verborgen. Wenn wir viele Jahre damit verbracht haben, uns anzupassen – an unsere Umgebung und an gesellschaftliche Erwartungen –, dann haben wir wahrscheinlich große Teile unseres „wahren“ Selbst unterdrückt. Wir unterdrücken unsere wahren Gefühle, Bedürfnisse und Sichtweisen. Wir tun das, um von Eltern, Partnern, Freunden, Chefs oder Kollegen akzeptiert zu werden.

Dr. Gabor Maté betont, wie wichtig Authentizität für unsere psychische, emotionale und somit auch physische Gesundheit ist. Seine Forschung zeigt, dass viele Krankheiten und Beschwerden mit einem Mangel an Authentizität und dem Ausdruck der eigenen Bedürfnisse zusammenhängen.

Kannst du das nachvollziehen? Kennst du Situationen oder Menschen in deinem Leben, bei denen du das Gefühl hast, nicht deine wahre Stimme oder deine Bedürfnisse zu äußern? Sagst du manchmal Ja, obwohl du Nein meinst?

Wie kann Yoga dabei helfen?

Die körperliche Yogapraxis mit ihren verschiedenen Haltungen kann uns in engen Kontakt mit unserem Körper bringen. Wenn wir genau hinfühlen, spüren wir vielleicht Hinweise auf die Ursachen unserer Steifheit, Atemnot oder Bewegungseinschränkungen.

Anstatt gegen den Körper anzukämpfen und uns über seine „Grenzen“ zu ärgern – können wir mit Neugier zuhören?

Das ist meine Einladung an dich: Wenn du Yoga praktizierst und Unbehagen spürst – gehe nur so weit, wie du dabei noch tief und regelmäßig atmen kannst. Nur so weit, wie dein Kiefer und Gesicht entspannt bleiben. Nur so weit, wie du dich innerlich noch ruhig fühlst. Und mit dieser Ruhe – höre zu. Höre darauf, was dein Körper dir sagen möchte.

Denkst du plötzlich an all das süße Junkfood, das du gegessen hast? Vielleicht hat die Steifheit etwas damit zu tun ;) Wenn du nicht so tief atmen kannst wie gewünscht und dich an ein Gespräch oder einen Streit erinnerst – vielleicht steckt darin eine Botschaft? Hätte das Gespräch anders verlaufen können? Hast du deine Wahrheit heruntergeschluckt?

Das sind nur einige Beispiele für die vielen möglichen Wege, die diese innere Erforschung nehmen kann. Aber genau das ist die Chance, die Yoga uns bietet.

Ich wage zu sagen: Wer beginnt, sein innerstes Selbst zu erkunden, begibt sich auf eine lebenslange Reise, auf der man ständig etwas Neues über sich selbst entdeckt. Offenheit, Demut und Neugier gegenüber sich selbst und anderen sind gute Schritte auf dem Weg zu mehr Authentizität und einem wahrhaftigeren Leben.

Yoga kann uns helfen, authentischere Beziehungen zu gestalten. Wenn wir tiefer in unsere innere Welt eintauchen und zuhören, was daraus aufsteigt, können wir Schritt für Schritt im Außen handeln, um mehr von dem zu erschaffen, was sich für uns gesund und stimmig anfühlt.

„Echtes“ Essen

„Echtes“ Essen ist tatsächlich Teil der yogischen Lebensweise.

In Deutschland gibt es das Sprichwort: „In einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist.“ Klingt logisch, oder?

Viele Produkte, die man heute im Supermarkt kaufen kann, machen unseren Körper eher süchtig nach bestimmten chemischen Reaktionen, als dass sie ihn wirklich nähren. Echte Nahrung hilft uns, uns lebendiger und energievoller zu fühlen. Langfristig kann sie auch unseren Geist beruhigen, entspannen und klären.

Diese Umstellung braucht Zeit. Wenn man lange „nicht so echtes“ Essen zu sich genommen hat, ist ein schrittweiser Übergang oft besser. Crash-Diäten führen meist zu Rückfällen. Da sich unser Körper an Umgebungen und Gewohnheiten anpasst, ist es sinnvoll, schrittweise eine neue Ernährung einzuführen. So ist die Chance viel größer, dass du langfristig dabei bleibst.

In einer Welt voller Fast Food ist es manchmal eine Herausforderung, wirklich nährende Lebensmittel zu finden. Aber es lohnt sich! Immer mehr Läden und Restaurants bieten Bio-Produkte und frische Zutaten an. Ich lade dich ein, zu recherchieren und auf dein Gefühl zu hören: Was lässt sich jetzt wirklich in deinem Alltag umsetzen? Es gibt unzählige Informationen über Ernährung – und die Suche nach DER Wahrheit kann dich überfordern oder entmutigen.

Ein paar Fragen zur Orientierung

  • Was möchtest du verändern und wie möchtest du dich fühlen?
  • Was wäre ein spannender und machbarer erster Schritt in Richtung bewusster Ernährung?
  • Welche kleinen Veränderungen kannst du ehrlich umsetzen?

Für viele Menschen ist Essen ein emotionales Thema. Ich hoffe, dieser Abschnitt kann dich unterstützen. Wenn du merkst, dass du Essen als Bewältigungsstrategie verwendest, kann es hilfreich sein, dir Unterstützung durch eine*n Mind-Body-Therapeut*in zu holen.

Und zum Schluss…

Ruhe

Ruhe ist ein menschliches Grundbedürfnis, das in manchen Kulturen sehr unterschätzt oder sogar belächelt wird. Ich lebe derzeit in Spanien – hier gehört die Siesta zur Kultur. In Deutschland hingegen ist ein Mittagsschlaf eher etwas für Kinder, Alte oder Kranke. Einfach so zu ruhen, ohne krank zu sein, ist für viele schwer. Selbst wenn man krank ist, greifen viele zu Schmerzmitteln, um den Alltag weiter zu „funktionieren“. Doch Körper und Geist zahlen den Preis.

Dabei ist Ruhe essenziell für unseren Organismus.

Und mit Ruhe meine ich nicht, täglich stundenlang fernzusehen. Der Fernseher füttert unseren bereits überladenen Geist mit noch mehr Informationen. Wir denken vielleicht, wir „schalten ab“, weil wir frei wählen, was wir schauen. Doch unser Körper-Geist-System nimmt es als weitere Informationsflut wahr, die verarbeitet werden muss.

Was also könnte eine gute Form der Erholung sein?

Das muss jeder für sich selbst herausfinden. Aber hier ein paar Vorschläge:

In die Natur gehen. Natur wirkt beruhigend auf unser Nervensystem. Wir sind Teil der Natur, und unser Körper weiß das. Er entspannt sich, wenn wir ihn in natürliche Umgebungen bringen. Ich persönlich lege mich gerne einfach in den Wald und bin da. Die Natur gibt mir ein Gefühl von Ruhe und Klarheit, das ich selten woanders finde.

Einfach in der Stille sitzen, in die Ferne blicken oder etwas Schönes ansehen.

Tief und bewusst atmen.

Was tust du bereits, um dich zu entspannen? Oder was könntest du tun?

Abschließender Gedanke

Liebe*r Leser*in, ich hoffe, dieser Artikel war interessant und aufschlussreich für dich.

Zum Abschluss möchte ich sagen: Das Wort Yoga bedeutet eigentlich „Vereinigung“ (aus dem altindischen Sanskrit). Worauf könnte sich diese „Vereinigung“ beziehen? Die Erkenntnis, dass Körper und Geist eins sind – und die Praxis, diese Verbindung zu harmonisieren? Oder das Bewusstsein unserer Verbindung zur Welt und der Versuch, diese Verbindung auf intelligente Weise zu leben?

Ich lasse dich mit diesen Gedanken und hoffe, dass Yoga für dich dadurch spannender wird – oder du Lust bekommst, es auszuprobieren.

Ich wünsche dir einen wunderschönen Tag!

Katja